Gesine Schwan Gesine Schwan kommt an bei den Menschen - nicht nur bei der SPD, sondern quer durch alle gesellschaftliche Schichten. Beim Parteitag der Grünen gab es am Wochenende stehende Ovationen für die Frau, die sich anschickt erste Bundespräsidentin Deutschlands zu werden. Die Frankfurter Rundschau hat die Professorin bei ihrem Auftritt beobachtet. Nachfolgend die Reportage:
"Küsschen hier, Umarmung da, vertrautes Du, selbstverständliches Ihr - und am Ende "Standing Ovations". Heimspiel für die Frau, die am 23. Mai zu Deutschlands erster Bundespräsidentin gewählt werden will. Heimspiel auch für die grünen Gastgeber, die die Sozialdemokratin am Samstagnachmittag auf ihrem Parteitag nicht als "die", sondern als "unsere Kandidatin" für das Amt der Bundespräsidentin umjubeln. Gesine Schwan - "Eine von uns" - und die sozialdemokratische Bewerberin fürs oberste Staatsamt lässt sich die Vereinnahmung sichtlich gefallen.
Im Berliner Velodrom bekommt sie von den grünen Delegierten den euphorischen Beifall, der bei ihren bisherigen Auftritten vor den sozialdemokratischen Parteifreunden eher schallgedämpft von den Bänken klang.
Gesine Schwan fühlt sich heimisch vor grünem Auditorium - und sie revanchiert sich für den Applaus mit solch anerkennenden Worten für die Gastgeber, dass man glauben könnte, ihr Parteibuch habe gerade die Farbe gewechselt. "Ganz großartig" sei es, was die Grünen da an diesem Wochenende mit ihrem "gut durchdachten Regierungsprogramm" auf den Weg bringen wollten, lobt die Kandidatin. "Ich gratuliere euch dazu, dass diese Programmdiskussion so lebendig ist" und "ich teile eure Absichten ganz und gar", applaudiert sie dem Vorhaben der Grünen für einen neuen Gesellschaftsvertrag, der Wirtschaft, Umwelt Gerechtigkeit und Freiheit verbinden soll.
Nur an einem Punkt muss die Kandidatin dann doch mal widersprechen: Das sei nun wirklich nicht wahr, dass alle anderen Parteien Klimaschutz und Wirtschaft ständig gegeneinander ausspielten, versucht Schwan ein Länzchen für ihre Sozialdemokraten zu brechen. Dafür erntet sie ein freundschaftliches "Buh!" aus dem Saal, das sie laut lachend wegsteckt. Auch was grünen Widerspruchsgeist angeht, fühlt sich die Kandidatin offenbar ganz zu Hause.
Ihre jüngste Kritik am amtierenden Bundespräsidenten und Kontrahenten Horst Köhler wiederholt Gesine Schwan bei ihrem Gastspiel übrigens nicht - ebenso wenig wie Andeutungen über drohende soziale Unruhen angesichts der Krise. Zum Abschied bittet sie mit dem Versprechen, den Einsatz für ökologische Nachhaltigkeit zum "wesentlichen Bestandteil" ihrer Arbeit als Bundespräsidentin machen zu wollen, "ganz herzlich um eure Stimme". Kein Zweifel. Die hat sie fest in der Tasche. Bisher hat sich nur eine der 95 Wahlmänner und Frauen, die die Grünen für die wählende Bundesversammlung nominieren, als Anhängerin von Schwans CDU-Kontrahent Köhler geoutet."